Tuesday 8 October 2013

Von Orientierung, wilden Kühen und lieben Menschen

Wenn man die Welt zu Fuss bereist muss man gewissen Dingen entbehren. Man kann sich jedoch nie beklagen, dass man zu wenig erleben würde. In einem Tag geschehen so viele Dinge, dass die Chronologie der Ereignisse innert Stunden verloren geht und man sich nicht mehr sicher ist, ob etwas am Morgen, vor drei Tagen oder vor einer Woche war. Unabhängig ob man sich nun in Thailand, Laos, England oder Wales aufhält. Man könnte glauben, dass es einfacher ist durch Westeuropa zu wandern doch das würde ich so nicht unterschreiben. Ja, die Sprachbarriere ist nicht da, ja, die Kultur und Gewohnheiten sind sehr ähnlich etc. etc. ABER: es gibt auch eine ganze Reihe von Herausforderungen, die es in Südostasien nicht gab und die einem das Vagabundenleben nicht gerade vereinfachen. 

Vagabond alleine...

Sich auf Englands Wanderwegen zu orientieren kann ein Abenteuer für sich sein. Wie viele vielleicht wissen sind die Felder in diesem Teil der Welt mit Hecken voneinander getrennt. Super für die Tiere und schön anzuschauen - bis man sie überwinden muss. Gatter zeigen dem Wanderer wo er diese undurchdringbaren, grünen Festungen überwinden kann. An einem sonnigen Tag sieht man bis zum nächsten Schlupfloch im gegenüberliegenden Dickicht, was einem die Marschrichtung angibt. (Anmerkung: ich spreche von Wanderwegen aber sie sind, anders als in der Schweiz, nicht als solche erkennbar sondern lediglich auf der Karte eingezeichnet) Bekanntlich ist die Sonne aber nicht gerade ein Stammgast in Grossbritannien. Sie ist eher wie ein Fremder, der scheu eine Dorfbeiz betritt, ein Bier bestellt, dieses in der dunkelsten Ecke herunterstürzt und schnell wieder geht um niemand zu stören. Daher taucht man oft, im totalen Blindflug, in eine graue Suppe ein und der einzige Wegweiser befindet sich auf einer 1:50'000 Landkarte: eine gestrichelte Linie, die wegen ihrer Breite von 0.2 mm in Realität höchstens auf 10 m genau ist. Eine Punktlandung ist grundsätzlich unmöglich. Stattdessen stolpert man über eine Weide bis man mit einem fatalen Dornwall kollidiert. Brombeere im Schritt, Hagebutte um den Hals und ein Weissdorn, der sich ins linke Nasenloch bohrt. Eine Serie von höchst riskanten Entfesslungskünstlermanöver ist notwendig um sich aus dieser Misere zu befreien. Wieder sicheren Boden unter den Füssen kann man nun eine Münze werfen ob man links oder rechts das nächste Tor suchen soll. Wo, wenn man Glück hat, sich das Schauspiel wiederholt. Wenn nicht, kann es auch sein, dass man sich mitten durch ein durchnässtes, 3 m hohes Maisfeld kämpfen muss. Warum der offizielle Wanderweg nicht am Rand des Feldes verläuft ist mir ein Rätsel. Falls dies jemand weiss: bitte melden! 

Links: Wanderweg...? Rechts: Offa's Dyke

Doch dies ist alles nichts im Vergleich zu einer wütenden Herde Paarhufer (gemeinhin als Kühe bekannt) die einem begrüsst. I befand mich ca. 3 Meter in der Wiese als die erste Kuh ihren Kopf senkte und auf mich losrannte. Weglaufen ist die schlechteste Option weil man a) mit den Rucksack nicht davon kommt und b) die Tiere dadurch eher noch angriffiger werden. Ich kenne diese Situation von der Schweiz also blieb ich einfach stehen, Arme breit in die Luft gestreckt. Normalerweise genügt dies doch mein Gegenüber zögerte nicht einmal und war nun in vollem Galopp. Also nächstes Level: selbst einen Angriff vortäuschen und geradewegs auf sie zustürmen. Dies erwartete sie offenbar nicht denn sie bremste ab und suchte das Weite. Uff. Unglücklicherweise interpretierten die Kühe hinter mir diesen Angriff als Flucht - was sie zu einer Attacke animierte. Bemerkbar durch ein Galoppcrescendo in meinem Rücken. Also schleunigst umdrehen und die erfolgreiche Verteidigungsmassnahme wiederholen. Mit dem selben Resultat - inklusive, dass nun die erste Kuh wieder heranstürmte. Dies hätte noch ewigs so weiter gehen können also entschied ich mich für eine Planänderung. Schnell Karte komplett auffalten, über den Kopf reissen und furchterregende Urschreie ausstossen. Ich nutzte den so gestifteten Moment der totalen Verwirrung um aus dem Kuhsandwich zu entschlüpfen. Bevor sie sich wieder sammeln konnten war ich über alle Berge... 

Wales, magisches Wales. Sogar ein wenig Angkor Wat (unten rechts)

Vielleicht war ich ein wenig unfair zur Sonne im zweiten Paragraph. Unerwarteterweise habe ich sie an mindestens 50 % der Tage gesehen. Dies wurde allerdings mit Stürmen kompensiert. Ausgerechnet am Tag, an dem ich der höchste Punkt der Wanderung (in England und Wales) überquerte: Hay Bluff (ca. 700 müM). Von dort folgt der Weg einem exponierten Bergrücken für 15 km. Just als ich diesen betrat hüllte mich dichtester Nebel ein. Böen von 80 km/h hämmerten den Regen gegen meinen Körper. Innert Minutenfrist war ich nass bis auf die Unterhose. Und ich bin froh, dass dies geschah. Nässer als nass kann man nicht werden also störte ich mich nicht mehr am Wetter. I staunte über die Kraft der Natur, watete singend in knietiefen Wildbächen, die sich auf dem kaum sichtbaren Weg bildeten, grüsste jeden Windstoss mit einem Jauchzer. In allen Bedingungen draussen zu sein ist, zumindest für mich, eines der Wunder des Langdistanzwanderns. 

Bevor es richtig anfing zu schütten...

Das vielleicht noch grössere Wunder sind die netten Menschen, die man auf dem Weg treffen darf. Ich muss zugeben, dass ich diesbezüglich nicht viel von Westeuropa erwartete nachdem wir die unmenschliche Menschlichkeit der Laoten und Thais erlebten. Zu egoistisch und misstrauisch schien mir die Stimmung in unseren Breiten. Vor allem gegenüber einem stinkenden Ausländer wie mich, der grundsätzlich Obdachlos ist und keinen "richtigen" Beruf hat. Glücklicherweise habe ich mich geirrt. Und ich möchte mich für dieses Vorurteil entschuldigen weil ich auch hier viel Güte von wildfremden Personen erleben durfte. Beispiele? Spenden wurden mir spontan in die Hand gedrückt, Phil begleitete mich ein Stück des Weges begleitete und mich den einfachsten Weg zeigte. Jeff und Liz, die kein Platz auf ihrem Land für mein Zelt hatten aber den Nachbar fragten und mich anschliessend Wasser und Esswaren anboten. Nikki und Will, die mir kostenlos ihr Gästezimmer zur Verfügung stellten und sogar Frühstück zubereiteten nachdem ich zwei Tage im Regen campierte. Nur einmal durfte ich mein Zelt nicht aufstellen. Meiner eigenen Sicherheit wegen. Dafür wurde mir Essen und Tee offeriert. Ich könnte schon bald hundert solcher Begegnungen aufzählen, aber das würde viel zu lange dauern. 

Mein super Gästezimmer!

Es scheint noch gar nicht lange her, als ich Elly schweren Herzens Richtung England verliess um unser Projekt zu Ende zu führen. Für die Menschen, die weniger Glück haben als wir. Und schon muss ich mich nun mit dem Abschied von der Insel befassen, die ich immer noch als meine zweite Heimat sehe. Momentan bin ich auf dem Sofa eines Freundes in Bath, geniesse den Luxus einer Küche, eines Daches und einer Toilette. Und gebe meinen Füssen eine kleine Pause. Ca. 500 km inklusive Offa's Dyke liegen hinter mir. In vier Tagen werde ich wohl auf einer Fähre von Poole nach Cherbourg sitzen. Und wieder erwartet mich ein neues Land mit neuen Herausforderungen aber unbezahlbaren Erlebnissen. Bis dahin geniesse ich jedoch den Süden Englands in vollen Zügen.

Bath und dramatische Landschaft

Thursday 26 September 2013

Auf neuen Wegen...

Lieber spät als nie möchte ich ein paar Worte über die Fortsetzung unserer Wanderung verlieren. Wie angekündigt führe ich diese solo zu Ende aber grundsätzlich ist es immer noch 'unser' Projekt, da wir es gemeinsam begonnen haben. Da MAG ihr Sitz in Manchester hat, war es naheliegend von dort zurück in die Schweiz zu wandern. England ist bekanntlich eine Insel, also wird eine Überfahrt per Fähre den Fussmarsch unterbrechen. Eine genaue Route zu planen wäre blödsinnig - schlussendlich kommt doch alles anders als man meint. Für den ersten Teil werde ich jedoch grob Offa's Dyke folgen (bzw. ich folge ihm schon) - ein Wanderweg, der entlang der Grenze zwischen England und Wales verläuft. Ausführlichere Neuigkeiten werden in Kürze folgen. 

Let the walking begin...

Thursday 8 August 2013

Volle Ladung Laos

Leider musste ich mit dem letzten Post den vergangenen Ereignissen vorgreifen. Doch dies war ich den Lesern und Spendern schuldig weil Transparenz und Ehrlichkeit wichtig sind. Mit diesem Beitrag versuche ich die Spitalepisode in einen Kontext zu stellen und werde ein paar Worte über die Zukunft verlieren. 

Die letzten 200 km in Laos hatten es definitiv in sich. Es war grundsätzlich ein Konzentrat von all dem, was Laos für uns ausgemacht hat. Hart, strapaziös, nervenbelastend aber auch unglaublich lohnend.

Kinder, die vor einem Tempel spielen und Reisbüschel bevor sie gepflanzt werden...

30 km vor Pakse fanden wir wieder einmal keinen Schlafplatz, ein Guesthouse erst wieder kurz vor der Stadt. Ein regelrechter Tsunami von oben, der die Strassen und Wiesen innert Minutenfrist 5 cm unter Wasser stehen liess, war uns Warnung genug: Zelten im Freien unmöglich! Selbst wenn das Aussenzelt standgehalten hätte, wir wären in einem See geschwommen. Ich fragte die Ladenbesitzerin, bei der wir unterstanden, ob wir hier schlafen könnten. Sie verneinte, meinte aber, dass sie uns zu einem Tempel führe. Dieser Tempel stellte sich als alte Frau heraus, die uns eine Fahrt nach Pakse verkaufen wollte. 30 km für 200'000 Kip (24.-). Ein Abriss sondergleichen, den wir natürlich ausschlugen. Also machten wir uns in der Dämmerung auf die Socken. Bei der ersten verlassenen Hütte frage ich die angrenzenden Bewohner ob wir hier campieren könnten. Statt einer Antwort führten sie uns schnurstracks zu einem grossen Haus auf Stelzen. Der Besitzer bereitete uns ein Nachtlager mit Matratzen, Kissen und Moskitonetz im ersten Stock. Nicht einmal das Zelt wurde benötigt. Wir wurden wärmstens aufgenommen - selbstredend durften wir am nächsten Morgen nichts bezahlen. Dies muss man in Laos akzeptieren. Es goss die ganze Nacht wie aus Eimern. Glück gehabt...

Sich zusammenbrauendes Gewitter mit dramatischem Licht. Ob das ein Omen war?

Nach Pakse, wo wir jeden Komfort hatten, begann der Spass erst recht. Einen fast 50 km Marsch inkl. Stirnlampenabschnitt in kompletter Dunkelheit (bei jedem Auto, das hielt, wusste man nie genau was die Fahrer im Schilde führten - es war nur Buschland und Dschungel weit und breit und wir sahen fast nichts. Unheimlich.) endete in einem scheusslichen Guesthouse. Siehe Video. 


Am nächsten Tag wurden wir von einer Familie mit drei Kindern aufgenommen. Sie hatten weder Strom noch fliessend Wasser doch behandelten uns wie Ehrengäste und offerierten uns sogar zu Essen. Es windete so sehr, dass das Vordach zwar unsere Füsse nicht ganz vor Nässe schützte doch wenigstens ein Dach über dem Kopf. Schweine, Hühner und Hunde begutachteten die Fremdlinge sehr genau. Just bevor wir uns schlafen legten zündeten die Eltern Kerzen um unser Nachtlager an und die Frau betete für uns. Dieser Moment bereitet mir jetzt noch Hühnerhaut und ich hatte Tränen in den Augen. Sie haben nichts doch sind herzensgut und sorgen sich um unser Wohlbefinden. Natürlich haben sie Geld, das sie sicherlich sehr gut hätten gebrauchen können, kategorisch abgelehnt. Was braucht es für eine Überzeugung so zu reagieren wenn man nichts hat? Und was für ein Kontrast zur gierigen Frau, die für laotische Verhältnisse komfortabel lebte uns aber eine Halsabschneiderfahrt anbot.

Die Kinder beim Reis kochen und unser Schlafplatz

Laos wäre nicht Laos wenn wir am darauffolgenden Tag nicht fast wieder verdursteten. Nirgends einigermassen trinkbares Wasser zu finden, 15 km lang. Da man nie weiss was in den Reisfeldern alles eingesetzt wird ist es nicht empfehlenswert daraus zu schlürfen. Eine Tankstelle erlöste uns aus der misslichen Lage. Und Laos wäre nicht Laos wenn Kinder und Erwachsene uns nicht euphorisch zugerufen hätten. Die Arbeit auf den Reisfeldern stoppte jeweils für einige Minuten wenn wir auftauchten. Und nicht wenige Male wurden wir lachend aufgefordert beim Reispflanzen zu helfen. Selbst die Wasserbüffel schauten uns verdutzt an und vergassen zu kauen. Die einzigen Lebewesen, die uns noch blöder angafften waren andere Westler auf Bussen und Motorrädern. Ihnen wollte es nicht in den Kopf was wir da machten und sie brachten ihre Kinnlade nicht mehr hoch. Sie waren so schockiert, dass sie sogar vergassen auf unser Winken zu reagieren.

Man kann sich vorstellen, dass es schwierig ist doofer als der Büffel zu gaffen - aber die Westler brachten das hin...:)

Natürlich fanden wir auch an diesem Abend kein Guesthouse. Dafür kamen wir bei zwei jungen, netten Mönchen im Kloster unter. Als wir ins Zelt krochen, das wir auf einer Plattform unter dem Dach aufbauen durften, beklagte sich Elly über Rückenschmerzen und Kopfweh, ihre Stirn war heiss. Die Körpertemperatur schoss innert einer Stunde von 37.3 auf 38.8. Scheisse. Wir wussten beide, was das hiess. Auf ins Spital. Am nächsten Morgen. Zurück nach Pakse. Die Nacht war stürmisch, der Wind war böig. Plötzlich krachte es laut und das Zelt lag auf uns. Die Aluminiumstange brach unter der Belastung. Auch das noch. In Boxershorts machte ich mich an die Reparatur. Der Regen wurde horizontal unters Dach geblasen sodass wir ohne diese Massnahme klitschnass geworden wären. Ich war es danach sowieso aber Elly blieb trocken. Im Morgengrauen packte ich unsere Sachen. Ein Sammeltaxi und ein Tuktuk brachten uns zum Spital.

Die Figur, wie sie vor fast jedem Tempel zu finden ist, wies uns den Weg zurück...

Den Rest kennen die meisten. Die Diagnose war Dengue, was nichts anderes heisst, als dass die Wanderung für Elly hier zu Ende ist. Für diejenigen, die es nicht wissen: Dengue ist ein viraler Infekt, eine Behandlung gibt es nicht bzw. sie ist rein symptomatisch. Das bis zu 40 Grad hohe Fieber klingt nach einigen Tagen ab und die Krankheit heilt ohne Nachwirkungen aus. In wenigen Fällen nimmt sie einen schweren Verlauf mit inneren Blutungen, die lebensbedrohlich sein können. Dies war bei Elly glücklicherweise nicht der Fall. Einige mögen denken, dass das "normale" Dengue ziemlich harmlos scheint. Das heimtückische ist jedoch, dass es Wochen dauern kann bis man sich nicht mehr schlapp und kraftlos fühlt. An eine Belastung von täglich 35 - 40 km mit (in Ellys Fall) 15 kg am Rücken ist unter diesen Umständen nicht zu denken. Mittlerweile ist das Fieber abgeklungen und die regelmässigen Spitalaufenthalte sind nicht mehr notwendig.

Weitere Impressionen. Links: Kurlige Erosionen wie man sie überall im Süden von Laos findet. Rechts: Regenzeitbach, der sich innert Minuten bildet. Kein guter Platz zum Zelten...

Wie weiter? Diese Frage quälte mich. Aufgeben steht eigentlich nicht in meinem Vokabular. Diejenigen, die mich kennen wissen das. Ich bin bereit für meine Ziele und Träume zu leiden und zu beissen, mich zu quälen. Doch wenn es nicht einem selbst trifft ändert sich die Situation radikal. Wir sind als Team und als Partner in dieses Abenteuer gestartet. Ich wäre ein miserables Teammitglied, ein noch miserablerer Partner und ein lausiger Mensch wenn ich in dieser Situation egoistisch entscheiden und handeln würde. Oberste Priorität hat Elly heil nach Hause zu bringen. Und sie ist im jetzigen Zustand nicht im Stande dies alleine zu tun. Daher habe ich mich dazu entschlossen sie zu begleiten. Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich bittere Tränen darüber vergoss. Und wenn ich diese Zeilen jetzt schreibe setzt sich ein riesiger Kloss in meiner Kehle fest. Was mir bleibt ist ein Gefühl des Scheiterns und Versagens, das jeder Anflug von Stolz über die bereits gewanderten 2000 und etwas Kilometer im Keim erstickt. Wir haben unser Ziel nicht erreicht. Aber auch wenn es schmerzt weiss ich, dass meine Entscheidung zu 100 % richtig ist. Projekte gibt es noch viele. Elly nur einmal. Ich könnte es mir nie vergeben wenn ihr etwas zustösst.

Doch so leicht lasse ich mich nicht abschütteln. In meinem Kopf ist schon eine Weiterführung der Wanderung geboren. Vorerst nicht in Südostasien. Aber in Europa.  Nachdem ich Elly in guten Händen weiss. Hin und her zu fliegen ist abgastechnisch nicht vertretbar. Ich kann noch nicht aufhören. Zu sehr liebe ich das einfache Leben, nicht zu wissen wo man abends schläft oder ob man zu Trinken findet. Und zu sehr liegen mir die Menschen in Laos am Herzen, für die das gesammelte Geld eine Frage von Leben und Tod sein kann. Vor allem nachdem wir so viel schönes in ihrem Land erleben durften. Und schlussendlich soll auch das abrupte Ende für Elly nicht umsonst gewesen sein. The show must go on. Bald werdet ihr mehr erfahren. Noch ist es aber zu wenig ausgereift. Bis dann bedanken wir uns bei allen Menschen, die an uns gedacht haben, bei den Lesern und den grosszügigen Sponsoren. Weitere Spenden würden uns natürlich unheimlich freuen. Stay tuned...

Sunday 4 August 2013

Wichtige Meldung

 
Leider müssen wir euch heute mitteilen, dass Elly sich mit dem Denguefieber angesteckt hat. Als ihre Temperatur über Nacht hochschoss sind wir 50 km vor der kambodschanischen Grenze zurück nach Pakse ins Spital gefahren, wo die Diagnose gestellt wurde. 

In den nächsten zwei Tagen wird sie alle 24 h zwecks Blutentnahme ins Spital müssen. Da mit Dengue nicht zu spassen ist (vor allem bei einer etwaigten Zweitinfektion was man NICHT ausschliessen kann wenn man so reist wie wir) hat sie sich richtigerweise dazu entschlossen in die Schweiz zu fliegen sobald das Fieber abgeklungen ist. 

Diese Situation lässt mich irgendwo im Nirgendwo. Einerseits möchte ich das Projekt weiterführen andererseits aber auch Elly in dieser Zeit unterstützen. Sie wäre nicht meine grosse Liebe wenn sie mich nicht in beiden Optionen voll und ganz unterstützen würde. So eine Partnerin zu haben ist wunderschön und ich schätze dies enorm. Es macht meine Entscheidung aber leider nicht einfacher. Sicher ist jedoch, dass ich an ihrer Seite bleibe bis ich überzeugt bin, dass es ihr wieder gut geht.

Wir starteten dieses Projekt als ein Team - ob es sinnvoll ist es als Solo zu beenden (wenn auch eventuell nicht ganz die geplanten 4000 - 5000 km) muss ich in den nächsten Tagen abwägen. 

Wir halten euch auf dem Laufenden und bedanken uns jetzt schon für die bisher gezeigte Unterstützung und Anteilnahme an diesem Projekt. Gute Besserung könnt ihr Elly über Facebook oder hier in den Kommentaren wünschen. 

Love and Peace 

P.S. Wir haben kurz vor Ausbruch der Krankheit gemeinsam die 2000 km Marke überschritten. Auch wenn traurig über das Ende ist Elly stolz auf diese Leistung. Die zahlreichen, ja fast unzählbaren Erlebnisse haben sie tief geprägt und werden ihr ein lebenslanger Begleiter sein...

Friday 26 July 2013

Regenzeit und Alltagsprobleme

Wie man unschwer an der verringerten Blogfrequenz erkennen kann ist Internetzugang auch im Süden von Laos eine Rarität, zumindest abseits der dünn gesähten Touristenhotspots. Geschweige denn ein einigermassen schneller. Somit wird schon das Bloggen selbst fast zu einem Abenteuer.

In den ersten zwei Monaten unserer Reise haben wir nicht viel von einer sich anbahnenden Regenzeit gemerkt. Wie hofften wir doch immer auf ein bisschen Abkühlung von oben. Zum Teil nahmen uns Einheimische alle Hoffnung. Sie meinten, dass es in den letzten paar Jahren die drei klassischen Jahreszeiten cold (ca. November bis März), hot (ca. März bis Mai) und rainy season (ca. Mai bis November) gar nicht mehr wirkich gegeben habe. Stattdessen sei es vor allem in den südlichen Landesteilen immer sehr warm gewesen und in der Regenzeit habe es zu wenig oder aber zu viel auf einmal geregnet (= Überschwemmungen). Das Klima verändere sich definitiv...

Überschwemmte Wiesen und gut gefüllte Reisfelder. Unten: Fischer am Zusammenfluss von einem klaren Seitenarm mit dem braunen Mekong.

Da dies ja unser erstes Mal in Südostasien ist haben wir zwar keine Referenz aber wir können bilanzieren, dass sich die Regentage in den letzten drei Wochen definitiv häufen. Wenn es dazu noch gewittert ist die Wahrscheinlichkeit eines Stromausfalls nahe bei 100 %. Nach einer stürmischen Nacht sieht man die ganze Bevölkerung mit Stirnlampen auf den Beinen. Wir halten sie nun auch immer Griffbereit. Entgegen den Erwartungen regnet es jedoch meist zwischen Abend und Vormittag. Selten lange aber wenn es kommt dann richtig und aus heiterem Himmel. Als die Wolken westlich von uns schon bedenklich schwarz sind und wir uns wundern warum es noch nicht regnet hören wir plötzlich ein Rauschen vor uns. Zuerst begreifen wir gar nicht was geschieht und wundern uns wo dieser Fluss wohl sein mag. Und dann sehen wir eine Wasserwand in ca. 40 m Entfernung, die sich rasend schnell auf uns zubewegt. Wir haben gerade genügend Zeit um die Ponchos hochzureissen bevor wir unter der Dusche stehen. Und nicht etwa eine mit Druckminderer sondern eine voll aufgedrehte Tropendusche bei 4 bar. Innert kürzester Zeit ist die Strasse ein Fluss und wir wissen nicht ob das Wasser nun von oben oder unten in die Schuhe läuft. Auf jeden Fall gurgelt und pflotscht es bei jedem Schritt und unsere Füsse sehen bis am Abend bedenklich runzlig aus.

Ellys Füsse nach einem halben Tag in nassen Wanderschuhen...

Als wir ein paar Tage später das Geduldsspiel gegen Petrus verlieren (er hörte einfach nicht auf mit Wasserschöpfen) kommen wir von unserem Westlerdenken ab und tun es den Laoten gleich. Wir ziehen die Wanderschuhe aus und montieren die Flipflops. Wenn man die Nässe nicht draussen halten kann sollte man zumindest dafür sorgen, dass sie schnell wieder abfliesst. So marschieren wir 15 km im laotischen Nationalschuhwerk bis der Regen nachlässt. Und es ist zugegeben eine Wohltat wieder in unsere gewohnten Treter zu schlüpfen, die jedem Quadratmillimeter des Fusses angepasst sind.

Das Video täuscht, die Wassermassen sind in Realität viel grösser doch es vermittelt zumindest einen Eindruck...

Vielleicht haben sich schon einige gefragt wie es sich mit den Alltagsdingen wie zum Beispiel aufs Klo gehen auf so einer langen Wanderung, zum Teil sehr abseits der Zivilisation, verhält. Die Antwort liegt natürlich auf der Hand, man improvisiert. Meistens müssen dann Büsche hinhalten. Sehr oft muss man jedoch sowieso nicht weil der Körper die wenige Nahrung sehr effizient verbraucht und die Flüssigkeit fast ausschliesslich ausschwitzt.

Links: Viele grüne Toiletten im Hintergrund. Rechts: Typisches Häuschen im ländlichen Laos (bietet Platz für ganze Familien). Auf die Frage nach einer Toilette wird auch hier auf die Büsche verwiesen...

Vor ein paar Tagen erwischte es mich und ich musste mal gross. Aus immer noch unerklärlichen Gründen urplötzlich und sehr dringend, sodass ich beim Erspähen der nächsten Lücke im Buschwerk zielstrebig auf sie zurannte, den Rucksack abwarf, hinein hechtete und mich erleichterte. Das wohlige Gefühl hielt aber nicht lange an. Kaum aus dem Grün geklettert fasse ich meinen Rucksack an und habe meine Finger im Haufen eines anderen (Mensch oder Tier weiss ich nicht so genau). In der Hektik habe ich vergessen die Landezone des Gepäcks zu inspizieren und nun hatte ich die Sch......ande. Alles war voll und stinkte fürchterlich. Ich versuchte mein treuer Begleiter so gut wie möglich zu Reinigen, doch ohne Wasser und Seife war das eine noch grössere Sauerei. So fand ich mich damit ab für die letzten 15 km mit braun olivem (statt blauem) Rucksack und in einer Wolke von verrottetem Fisch, Kläranlage und Kompost zu wandern. Und meinte zu sehen, dass nicht nur die Menschen sondern selbst die Hunde die Nase rümpften wenn wir an ihnen vorbei zogen. Aber wir haben wieder etwas gelernt: egal wie eilig du es hast, stelle nie den Rucksack unbedacht an den Strassenrand...

Zwei Tage später musste ich mit ganz anderen Problemen kämpfen. Ich hatte Kopfschmerzen, fühlte mich schwach und fiebrig. Das Thermometer meinte zwar nur 37.2 Grad (was ziemlich sicher Dengue und womöglich auch Malaria ausschloss) doch ich konnte mir nicht vorstellen zu wandern. Daher legten wir einen ausserplanlichen Ruhetag ein um die Situation ein wenig zu beobachten. Am nächsten Morgen fühlte ich mich zwar immer noch nicht gut doch die Temperatur schien OK. Im Wissen, dass es mit dem Visum ohnehin schon knapp wird setzten wir unsere Wanderung fort. 34 km schafften wir doch sie zogen an mir vorbei als ob sich eine Mattscheibe zwischen mich und die Realität geschlichen hätte. Nochmalige 35 km am nächsten Tag verlangten mir alles ab und ich pflatschte nur noch ins Bett. Mein Kopf wurde immer heisser. 38 Grad. Über der Grenze bei der man über Malaria nachdenken sollte. Verdammt!
Fieber messen - not happy...

Langsam machte ich mir Sorgen. Ob wir die ca. 180 km bis Pakse fahren sollen? Ich fühlte mich nicht im Stande diese zu gehen und die Gesundheit hat oberste Priorität. Zumal unser Körper auch das Fortbewegungsmittel sind. Auf der anderen Seite war das Projekt, das mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen ist. Der Gedanke die Spender und die Menschen, denen wir helfen wollten, im Stich zu lassen wenn wir fahren schlich sich immer wieder an. Zudem war es auch unser Traum Laos zu Fuss zu durchqueren. Ein Wirrwarr in meinem Kopf. Schlussendlich fällte ich einen extrem schwierigen Entscheid: falls es bis am Morgen nicht besser ist fahre ich und gehe zum Arzt. Einzig der Gedanke wenigstens über 70 km gekämpft und es versucht zu haben spendete ein wenig Trost. In dieser Nacht schlief ich extrem tief. Am Morgen: ich fühlte mich erholt, 36.2 Grad. Durch wundersame Weise war alles verschwunden und ich war extrem erleichtert. Um nichts zu überstürzen planten wir nur ca. 10 km ein. Doch seither läuft der Motor wieder wie geschmiert und wir sind mittlerweile zu Fuss bis 60 km vor Pakse gekommen nachdem heute (wieder einmal) einen Marathon auf dem Programm stand...

Sunday 30 June 2013

Laos ist voller Überraschungen

Obwohl ich letztes Mal die Unterschiede zwischen Laos und Thailand andeutete hätte ich nie gedacht, dass fast alle Erfahrungen von 775 km Thailand hier nichts mehr zählen. Wir sind definitiv in einem anderen Land angekommen - eines mit neuen Spielregeln und Gegebenheiten.
Wir sind noch exotischer als in Thailand und werden immer genaustens beobachtet

Im ländlichen Laos haben wir uns mittlerweile an das Bild von nackten Kindern, die schwanzwedelnden Schweinchen quer über die Strasse nachjagen, gewöhnt. Gefolgt von jungen Entlein und Kücken jeden Alters. Etwas ganz anderes ist es, wenn ein wütend grunzendes Wildschwein mitten im Dschungel auf die Strasse springt, sich umschaut und wie verrückt geworden auf uns zurennt. Elly, die oftmals vorne wandert, zeigte trotz 15 kg Rucksack einen weltrekordverdächtigen Weitsprung nach hinten. Ich wechsle blitzschnell den Griff um meinen Wanderstock, damit ich zuschlagen kann, und schreie ihr "Stecken bereithalten" zu. Nur Meter vor uns springt das Biest ins Dickicht. Das Adrenalin begleitete uns noch ein gutes Stück des Weges...
Reisfelder und Berge

Der Geldbezug in Thailand war so einfach wie in der Schweiz: Bancomate gibt es überall und man bezieht den gewünschten Betrag. In den bisher bereisten Gebieten sind Geldautomate absolute Mangelware. 150 km ohne einen zu sehen ist keine Seltenheit - wenn man zu Fuss unterwegs ist sind das vier bis fünf Tage. Wenn dann noch keine unserer Karten (weder MasterCard, Maestro oder Travelcash) an den Laos Development Bank (LDB) Geräten funktioniert, dann wird es kritisch. In weniger entwickelten Regionen ist dies nämlich die einzige präsente Bank. Auf jeden Fall wurde unser Notenstapel immer kleiner als wir endlich ein ATM Schild erspähten. (100'000 Kip sind 12 CHF, die grösste Note 50'000. Daher Stapel - auch wenn wir nicht viel Geld mit uns tragen) Meine Enttäuschung war denkbar gross als darunter in kleinen Lettern 'LDP' stand. Mehr aus Verzweiflung als Überzeugung versuchten wir es nochmals mit allen Karten. Wieder das altbekannte Resultat: keine funktionierte. Nach all dem Zelten brauchten Ausrüstung und unsere schmutzigen Körper dringend wieder Aufmerksamkeit. Also buchten wir trotzdem ein Zimmer in einem Guesthouse was unser Budget auf knapp über 240'000 Kip schrumpfen liess.
Alles Geld, was wir noch hatten...

Jetzt mussten Lösungen her. 1) Per Internet einen Western Union Transfer tätigen und morgen das Geld abholen. Scheint naheliegend. Bleibt nur das Problem, dass sie einem hier wie ein Ausserirdischer anschauen wenn man nach Internet oder einem Computer fragt. Eventuell hat die Bank einen (nicht selbstverständlich in Laos!!!) und man könnte sie überzeugen, dass wir den benutzen dürfen. 2) Bus nach Vientiane und zurück um dort Geld abzuheben. Überhaupt nicht im Sinne des Projektes und wer weiss ob man das bei diesem Strassenzustand in einem Tag schafft. Dann hätte Elly nicht gewusst wo ich stecke und was los ist. 3) Durchkämpfen mit dem was wir haben. Bis Vientiane wären es noch ca. 210 km gewesen d.h. 7 Tage wandern, 6 Nächte zelten. Wenn wir in dieser Zeit nichts als Reis essen brauchen wir ca. 7 kg (50'000 - 60'000 Kip). 1.5 L Wasser kosten 5000 Kip. 10 - 12 L benötigen wir pro Tag d.h. über 250'000 Kip. Können wir uns nicht leisten. Also müssen wir Wasser finden oder darum betteln. Als Westler, die fast alles haben können. Von Leuten die kaum genug zum Leben haben. Nicht, dass sie es uns nicht gegeben hätten. Aber der Gedanke daran drehte mir den Magen um.
Links: einer der besseren Brücken in Laos. Ob sie die versprochenen 18 Tonnen tragen kann ist jedoch fraglich. Rechts: Hauptstrasse nach Vientiane...

Da Option 1) zwar unwahrscheinlich aber einfach zum Ausprobieren war erkundete ich mich im Dorf nach Internet. Plötzlich, aus dem Augenwinkel, erspähe ich rot auf weiss 'ATM 24 h'. Zwei Bancomate in einem Dorf? Darunter das Mastercard und dann das Maestro Logo. Mein Herz sprang mir fast aus der Brust. Ich musste mich ernsthaft zusammenreissen um nicht laut aufzuschreien und alle auf dem Weg dorthin zu küssen und zu umarmen. Wie ein Kind hüpfte ich pfeifend bis zur Türe. 'Domestic and International Transfers' stand darauf. Jetzt wusste ich: wir werden Geld haben. Karte rein, PIN und Betrag eintippen. Rattern. 'Please Take Your Card'. Rattern. Und dann: ein Bündel 50'000 Noten lachen mich breit aus dem Schlitz an. Hastig greife ich nach ihnen damit sie mir nicht mehr entwischen können. Beim nächsten Restaurant halte ich, bestelle 3 Portionen Gemüse mit Reis, lade die jungen Laoten, die dort sitzen, auf ein Bier ein. Nichts kann diesen Moment trüben und ich fühle mich wie der reichste Mann auf Erden. Auf dem Rückweg kaufe ich noch Getränke und Snacks. Als mich Elly mit dem vielen Essen sieht meint sie, dass ich übergeschnappt bin so viel auszugeben. Schockiert starrt sie mich an bis ich die Scheine zücke. "Wie, woher..." stottert sie. Ich erkläre und wir feiern, sind erleichtert. Am Abend essen wir gleich nochmals auswärts. 
Über Wasser können wir noch nicht wandern, daher benutzen auch wir die Fähre

Am nächsten Tag haben wir zwar volle Geldbeutel aber kein Wasser. Gerechnet haben wir mit einer Zunahme der Zivilisationsdichte. Erstens waren wir am Mekong und zweitens auf dem Weg Richtung Hauptstadt. Stattdessen dichtester Dschungel, schmale, steile Dreckstrasse und kein Haus weit und breit. Wieder einmal hat uns Laos überrascht. Zum Glück habe ich auf mein Gefühl gehört und 2 L Wasser eingepackt. Diese brauchen wir aber zum Kochen und für morgen. Es bleibt uns nichts anderes übrig als die wenigen Tropfen aus leeren Flaschen am Strassenrand zu sammeln, zu desinfizieren und zu trinken. Da wir auf einem Bergrücken sind gibt es kein Flüsschen. Unsere Kehlen sind komplett ausgetrocknet, die Beine brennen von den brutalen Steigungen. Ein Mann hält, bietet an uns mitzunehmen. Noch nie war die Versuchung so gross, doch wir lehnen ab. In einem lichten Bambuswald finden wir ein flaches Plätzchen und entscheiden hier zu campen. Sobald wir den Rucksack abstellen attackieren uns blutrünstige Moskitos. Im Sekundentakt fliegen riesige Geschwader Angriff um Angriff. Insektenschutzmittel nützt nichts. Also schnell das Zelt aufbauen. Elly mag Insekten nicht sonderlich. Damit sie nicht durchdreht stelle ich das Moskitonetz auf und setze sie darunter, koche mit so wenig Wasser wie möglich bevor ich zu ihr flüchte. Wenn das nur keine Malaria oder Dengue gibt. Meine Arme und das Gesicht sind so hügelig wie die Voralpen...
Die Nacht wird der Horror, wir Schwitzen literweise. Der Wasservorrat für den nächsten Tag ist bis zur Morgendämmerung aufgebraucht. Das gesammelte Regenwasser schmeckt grausam bitter, irgend etwas wurde wohl von dem Bambusblättern abgewaschen. Ungeniessbar. Ausgetrocknet wie ein Militärbiskuit packen wir hastig zusammen um so schnell wie möglich von den Blutsaugern wegzukommen. Nach 8 km ein Schild: 15 % Gefälle, abwärts. Und ich weiss, dass es da unten Wasser geben muss da dies bekanntlich nach unten fliesst. In der letzten Kurve sehen wir sogar Hausdächer in der Ferne. Dem ersten Mann, den ich sehe, kaufe ich zu Trinken ab und wir trinken wie die Kamele. Noch selten war lauwarmes Wasser und eine Art Orangina so gut...

Wie immer haben wir noch tausende Dinge mehr erlebt, Guesthouses nach 39 km Fussmarsch kurz vor Dämmerung gefunden wo es eigentlich nie welche geben sollte, begegneten unwahrscheinlich vielen Leuten, wurden zu literweise Beerlao eingeladen und durften wunderschöne Einblicke in den laotischen Alltag geniessen. Nun sind wir in Vientiane angekommen, der Hauptstadt von Laos, und müssen uns um unsere Visumverlängerung kümmern. Was für ein Schock. Wir haben in 18 Tagen 3 Westler gesehen. Nun sind sie in der Überzahl. Die Kultur, die wir kennen und lieben lernten, lebt hier nicht mehr wirklich. Auch wenn wir den Luxus geniessen, den die Stadt mit sich bringt, sind wir froh sie bald wieder hinter uns zu lassen. 1300 km sind wir nun gewandert, wahrscheinlich schon mehr als ein Viertel der Gesamtdistanz. Und wir staunen immer mehr was für Distanzen man in einer doch relativ kurzen Zeit zu Fuss zurücklegen kann.
Links: Tausendermarke erreicht... Rechts: typisches Wanderbild aus Laos

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Wir wandern 5000 km quer durch Südostasien um Geld für MAG (Mines Advisory Group) zu sammeln. Es wird verwendet um Laos, Kambodscha und Vietnam von Minen zu befreien. Wenn dir das Projekt und der Blog gefällt dann teile ihn doch mit Freunden, Kollegen und Bekannten. Über Spenden via JustGiving oder dem PC Konto 25-131893-4 (IBAN CH79 0900 0000 2513 1893 4) würden wir uns natürlich sehr freuen. Vielen Dank für die Unterstützung!

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Tuesday 18 June 2013

Adieu Thailand, Hallo Laos

Wie ihr aus dem Titel schliessen könnt haben wir ein wichtiges Zwischenziel erreicht: Die Grenze zwischen Thailand und Laos. Wir haben in Thailand 775 km zu Fuss zurückgelegt, 10 Provinzen durchquert und durften mehr erleben als in ein Buch passt. Ich kann unmöglich all dies mit euch teilen weil a) wir keine Zeit zum Wandern mehr hätten und b) ich die Blogeinträge kurz und verdaubar halten will. Aber dies ist ein guter Zeitpunkt für eine kleine Rückblende um ein paar dieser Erlebnisse zu schildern (in keiner speziellen Reihenfolge). 

Wir hatten sehr unterschiedliche Begegnungen mit der thailändischen Polizei. Der besoffene Beamte, der sich am "Kein Alkohol am Steuer" Schild festklammerte und stotterte, dass wir ihn anrufen können wenn wir Hilfe brauchen. Es war morgen und ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht zur Station spazierte... Überflüssig anzumerken, dass wir ihn nie kontaktiert hätten - die Gefahr bei seinem Herbeieilen überfahren zu werden wäre grösser gewesen als jede andere denkbare... In Nan wurden wir von zwei uniformierten und ordenbehängten Christbäumen gewissenhaft angehalten ohne zu wissen was wir verbrochen haben. Es stellte sich heraus, dass sie ein Foto von der zeremoniellen Übergabe ihrer Telefonnummer schiessen wollten.
Unsere Freunde von der Polizei...

Unser "Lieblingspartytrick" in Thailand (funktioniert auch prächtig in Laos) ist, dass wir wahllos Leute meinen 25 kg schweren Rucksack aufheben lassen. Manche konnten ihn nicht einmal hochheben, andere schlugen fast Vorwärtssalti beim Versuch. Die Laute, die sie während und vor allem nach der Aktion von sich geben, ist ein Genuss. Begleitet von wildem Klatschen und abenteuerlichen Grimassen. 
Unsere letzte Nacht in Thailand verbrachten wir im Zelt obwohl uns Einheimische wegen bewaffneten Drogenschmugglerbanden sehr davon abrieten. Damit es uns nicht langweilig wird muss der liebe Wandergott uns noch ein Blindgänger hingelegt haben. Wir wussten, dass dies kommen würde - erwarteten es aber erst in Laos. Weil es der einzige einigermassen versteckte Ort war bauten wir das Zelt dennoch gleich daneben auf. Sagen wir mal, dass es interessante Stunden bis am Morgen waren...
Schöne Abschlussnacht in Thailand...

Obwohl Laos und Thailand Nachbarländer sind unterscheiden sie sich doch extrem. Erstens ist die Natur in weiten Gebieten Thailands (leider) alles andere als intakt. In Laos hingegen gibt es dicht bewaldete Hügelzüge so weit das Auge reicht. Der unberührte Dschungel beherbergt eine rieseige Anzahl von Wildtieren - einfach magisch. Augenfällig ist auch die viel grössere Armut in Laos. Alle Menschen, die wir in Thailand getroffen haben, hatten fliessendes Wasser im Haus. Dies scheint im ländlichen Laos eher die Ausnahme zu sein. In grossen Eimern wird es hinter dem Haus aufbewahrt. Aufgefüllt werden diese am Fluss oder beim Dorfbrunnen. Die Kinder tragen normalerweise sehr gut gebrauchte Kleider, meist ziemlich schmutzig. Toiletten sieht man kaum neben den Bambushütten... Aber trotz allem (oder vielleicht eben darum): Sie und ihre Eltern scheinen glücklicher mit sich und ihrem Leben als viele in der Schweiz...
Schmetterling und Morgenstimmung in Laos. Unten: dichter Dschungel

Es ist unschwer zu erraten, dass der thailändische Luxus mit Supermärkten, Restaurants, Häusern zum Übernachten und Hotels nun vorbei ist. Wir tragen Vorräte mit uns und schlafen im Zelt. Dies bedeutet schwerere Rucksäcke und Nächte mit 2 - 4 Stunden Schlaf (wegen der Hitze) in sehr hügeligem Terrain. Die höhere physische Belastung wird noch von einer psychischen begleitet, ausgelöst durch die mögliche Präsenz von Blindgängern. Um ein Nachtlager aufzuschlagen müssen wir von der Strasse weg. Vorzugsweise versteckt falls ein Spinner (die es in jedem Land gibt) sich in der Gegend herumtreibt. Das heisst vorsichtig gehen, Augen weit offen halten und zu dichtes Unterholz vermeiden. Einen Hering Millimeter für Millimeter in den Boden zu drücken verkommt zu einer Art russischem Roulette. Wenn er irgendwo ansteht gibt es nur eine Option: rückwärts und an einem anderen Ort versuchen. Den Hering in eine verborgene Bombe zu schlagen könnte tödlich sein. So erfahren wir zum ersten Mal hautnah was es heisst mit dieser Last zu leben. Mit einem wichtigen Unterschied: Wenn die Situation zu gefährlich ist haben wir die Mittel und Möglichkeiten in eine sichere Umgebung zu flüchten. Die Einheimischen nicht.

Morgenstimmung über einem Reisfeld und eines unserer Camps, gut versteckt

Zusammengefasst: bis jetzt ist Laos wunderschön. Wandern ist viel anstrengender geworden aber wir sind mittlerweile gut trainiert. In vier Tagen haben wir 125 km und 4000 Höhenmeter bewältigt. Die neuen Herausforderungen geniessen wir und freuen uns auf das weitere Entdecken dieses Landes und seiner Leute.

Ausblick von einem der zahlreichen Pässe...

Noch eine Schlussnote: Wir haben nun offizell ein PC Konto für Spendierwillige ohne Kreditkarte. Zugang dazu hat einzig und alleine mein Bruder Roman. Er wird die Spenden weiterleiten. IBAN: CH79 0900 0000 2513 1893 4 PC-Konto Nr: 25-131893-4 Adresse: Roman Wettstein, Bachstrasse 14, 5612 Villmergen
 
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